[…] Ebenfalls in Königsberg begann Kleist mit der Arbeit an der Tragödie „Penthesilea“, die bis heute nur selten den Weg auf die Bühne gefunden hat, was damit zusammenhängt, dass sich die Handlung des Stücks vorwiegend im Innern der Protagonisten vollzieht. Nach antiker Sage wurde vor Troja die Amazonenkönigin Penthesilea von Achill erschlagen. Nach einer anderen Version hat Penthesilea Achill getötet. In Kleists Stück ist Penthesilea in Achill verliebt. Sie will ihn besitzen, er will sich ihr hingeben. Doch das Gesetz des Amazonenstaates verlangt von ihr, dass sie sich den Gatten im Kampf erobert – um ihn nach der Hochzeitsnacht zu töten. Penthesilea hat den Wunsch, Achills Leben zu schonen. Sie sucht nach einem Ausweg. Vergeblich. Alle Wege zum Glück sind verstellt. Am Ende tötet sie den wehrlosen Achill im Kampf. Und danach sich selbst – doch nicht mit dem Schwert, sondern mit der Macht ihrer Gedanken.
Beim Entwurf des Stückes nahm Kleist keinerlei Rücksicht auf die bestehende Form des Theaters und die Erfordernisse der Bühne. In 24 Szenen ohne Akteinteilung gestaltet er die tragische Verwirrung der Gefühle in Penthesilea und Achill. 1808 vollendete Kleist die Tragödie. Unter dem Filmregisseur Hans-Jürgen Syberberg kam es 1981 in Paris zu einer Inszenierung, die dem besonderen Charakter der Stückes angemessen erscheint: Syberberg verwandelte das ganze Schauspiel in einen Monolog Penthesileas. […]