LIEBE, DIE VERNICHTET
Es gibt wenige Stücke aus dem Theaterkanon, die ähnlich aufwühlen und herausfordern wie Heinrich von Kleists Tragödie “Penthesilea” über die unerfüllbare Liebe zwischen der Amazonenkönigin und dem Griechenhelden Achill. Mathias Noack bringt nun seine eigene, radikale Ein-Personen-Fassung des Stückes. RENÉ ZIPPERLEN hat sich mit ihm unterhalten.
Die Amazonenkönigin Penthesilea und der Griechenheld Achill leben beide in sehr rigiden gesellschaftlichen Systemen, in denen Liebe, wie sie sie empfinden, nicht vorgesehen ist.
Überhaupt nicht. Die Griechen sind damit beschäftigt Troja zu bekriegen. Kampf ist das Gesetz der Stunde. Liebe, Hingabe sind nicht vorgesehen. Deswegen sind Achills Kameraden ja auch so erschüttert darüber, daß er sich in die Hände dieser Frau begibt, sie als gleichwertig akzeptiert und sogar bereit ist, sich ihr zu unterwerfen.
Noch extremer ist es bei den Amazonen, was in der Geschichte ihres Staates begründet ist: Alle Männer ihres einst “normalen” Staates wurden von Besatzern umgebracht, die Frauen haben diese Unterdrücker geschickt niedergemetzelt und beschlossen, einen Staat zu gründen, in dem Männer nichts mehr zu sagen haben. Sie reißen sich sogar die rechte Brust ab, um den Bogen besser bedienen zu können. Aber dann gibt es einmal im Jahr Orgien mit Kriegsgefangenen zur Fortpflanzung. Eroberung, Unterwerfung ist das Gebot, nicht die Vereinigung. Das ist ja total überhitzt, eine ganz extreme Situation, die nach Entladung schreit. Das Stück ist dadurch triebhaft stark aufgeladen und voller sexueller Bilder.
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